Das Luftschiff Clouth
Angespornt durch die eigenen Erfolge in der Luftfahrttechnik und unterstützt durch die Begeisterung im Land beschloss Franz Clouth im Jahre 1907, einen lang gehegten Plan zu verwirklichen und den Luftschiffbau aufzunehmen. Das Jahr 1908 verging mit der Anfertigung von Plänen und Entwürfen. Der eigentliche Bau unter Leitung von Richard Clouth wurde im Winter 1908/1909 begonnen und im Juni 1909 beendet. Der Bau wurde maßgeblich von Sohn Richard geleitet. Ebenso wie sein Vater war er gelernter Kaufmann und hatte sich die technischen Fähigkeiten als Autodidakt angeeignet. Alle Teile mit Ausnahme des Motors wurden in den Werkstätten von Clouth hergestellt.
Das Luftschiff war 42 m lang, der Durchmesser betrug 8,25 m, sein Gasvolumen lag bei 1800 m³. Es gehörte zur Bauart der sog. Prallluftschiffe, die ihre äußere Form durch den Überdruck in Inneren erhielten<sup>2</sup>.
Nach ihrer Beendigung wurden die Fahrversuche wieder aufgenommen, zu denen vom Kriegsministerium die große Halle des Militär-Luftschiffhafen in Cöln-Bickendorf zur Verfügung gestellt wurde. Infolge der äußerst ungünstigen Witterung konnten während der Versuche im Februar nur wenige Aufstiege unternommen werden. Am 02.Februar ist das Schiff gegen 3.30 Uhr fahrfertig, aber wegen zu hoher Windgeschwindigkeiten von 6-7 m am Boden blieb das Schiff in der Halle. Am 03. Februar war das Wetter immer noch nicht besser.
Es wurden Windmessungen mit einem Drachen ausgeführt. Hierzu wurde ein „Roloplan“11 benutzt von 1 m² Fläche, geliefert von Wwe. Steiff in Gingen.
Die Windgeschwindigkeit wurde hierbei ermittelt aus dem Zug des Kabels. Auf der Basis der Angaben von Geheimrat Assmann aus dem Buch „Wir Luftschiffer“ ergaben sich hierbei folgende Abhängigkeiten:
- Zugkraft 1,5 kg entspricht 3 m Windgeschwindigkeit
- Zugkraft 2,0 kg entspricht 4 m Windgeschwindigkeit
- Zugkraft 5,0 kg entspricht 8 m Windgeschwindigkeit
Auch am 03. Februar kam es zu keiner Fahrt aufgrund der ungünstigen Witterung. Am 04. Februar erfolgte die erste Testfahrt, die Fahrt musste wegen Schneegestöber abgebrochen werden, aber es gelang eine glatte Landung vor der Halle. Da die Fahrt zu kurz war, um Schlüsse auf das Verhalten zu ziehen, wurde noch die Wirkung der Überdruckventile geprüft, in dem man 40 Flaschen nachfüllte. Nach einer Windmessung mit dem „Roloplan“-Drachen erfolgte am 05. Februar eine Fahrt von 40 Minuten über den Gasometer Ehrenfeld, Höhe 100 m, dem Stadtwald Höhe 150 m, Gasometer Ehrenfeld Höhe 200 m, das Schiff stieg auf 250 m trotz abwärts gerichtetem Höhensteuer. Trotzdem erfolgt eine glatte Landung vor der Halle, wobei das Höhensteuer zum Abstieg unwirksam war12.
Da dies aufgrund der Umbaumaßnahmen nicht möglich war, andererseits aber eine militärische Erprobung vorgenommen werden sollte, wurde hierzu der Oberleutnant Masius vom Luftschiffer-Bataillon zur Teilnahme an den Fahrten abkommandiert. Die Führung lag weiterhin in den Händen von Hauptmann a.D. von Kleist, der durch Ingenieur Dilg unterstützt wurde. Nachdem am 09. Mai 1910 in einer Werkstattfahrt das sichere Zusammenwirken aller Teile festgestellt war, wurden vom 13. Mai an regelmäßige Fahrten aufgenommen und folgten fast ohne Unterbrechung aufeinander. Waren sie anfänglich nur auf die nähre Umgebung beschränkt, so erstreckten sie sich bald weiter hinaus, führten nach Burscheid, Rheydt, Mönchengladbach, Crefeld, Neuss, Siegburg, Bonn usw. Dabei wurden Fahrzeiten von mehr als 5 Stunden erzielt und teilweise über 120 km zurückgelegt. Die Geschwindigkeit hatte sich auf mehr als 32 km/Stunde erhöht, auch war die Tragkraft gestiegen. Die guten Ergebnisse waren allerdings nur möglich durch die über alle Erwar-tungen übertreffende Wirkung der neuen Höhensteuer. Am 31.05.1910 wurde das Schiff durch seine Kgl. Hoheit den Prinzen Leopold besichtigt. An den folgenden Tagen nahm sein Generalstabsoffizier, Major Freiherr von Ledebur an einem Aufstieg teil, der zu dem Niehler Exerzierplatz zur Besichtigung der Truppen und nach Müngersdorf führte13. Im Juni 1910 wurden weitere Versuchsfahrten in der Kölner Umgebung durchgeführt.
Ende Juni 1910 kam es zu einer spektakulären Fahrt nach Brüssel zur Weltausstellung. Im Jahre 1910 wurden noch ca. 30 Fahrten über Köln und Umgebung durchgeführt.
Die Brüsselfahrt des Luftschiffes Clouth
Gummierte Gewebe
Basis für Ballone und Luftschiffe aber auch für wasserdichte Artikel waren gummierte Gewebe. Das Gewebe war der Festigkeitsträger, das Gummi sorgte für die dichte Oberfläche.
Seinen Anfang nahm dieser Produktionszweig 1876 mit der Herstellung von Wagen- und Pferdedecken aus mit Kautschuk-Lack bestrichenen Stoffen. In der Abteilung für „Wasserdichte Artikel“ wurden dann Anzüge für Bergleute und Matrosen, Pferdetränkeimer, Schürzen, Gummihandschuhe, Zelte aber auch so ungewöhnliche Dinge wie „transportable Badewannen“ und „tragbare Strandkörbe aus chemisch wasserdicht präparierten Prima-Segeltuch“ produziert.
Aufgrund langjähriger Erfahrung in der Herstellung wasserdichter Stoffe begann Clouth in den 1890-er Jahren mit der Herstellung gasdichter Stoffe für die Ballone und Luftschiffe.
Clouth arbeitete mit Graf Zeppelin zusammen und lieferte die Stoffe für das erste Luftschiff LZ1 des Grafen, welches im Juli 1900 seine erste Fahrt durchführte.
Bis zur Verlagerung der Produktion Anfang der 90-er Jahre zur Continetal AG wurden in Köln Luftschiffstoffe für die Westdeutsche Luftschiffwerft in Mülheim/Ruhr hergestellt. Berühmte Luftschiffe wie der „Fliegende Musketier“ von Wicküler oder der „Fuji Film“ und einige andere wurden mit Clouth-Stoffen ausgerüstet.
Andere Einsatzgebiete waren Stoffe für Schlauchboote, Seenotrettungsinseln, Schwimmwesten, Zeltböden, Stoffe für Faltenbälge an Flughäfen oder Bussen, für Schläuche und Kompensatoren.
1
Schlauchboote
2
Faltenbalg in Luftlandebrücke
3
Faltenbalg zwischen Fahrgastzellen
1 Ritter der Lüfte, Ballonsport um 1900, Lehmstedt Verlag Leipzig, 2006.
2 Zeppelinluftschiffe wiesen im Inneren ein festes Gerippe aus Duraluminiumträgern auf, welches die äußere Hülle auch ohne Gasdruck in Form hielt, die einzelnen Gaszellen waren separat im inneren aufgehangen. Größenvergleich: LZ 6, welches in der gleichen Zeit von Zeppelin gebaut wurde: Länge 130 m, Durchmesser 13m, Inhalt 15000m³.
4 Die ILA 1909 in Frankfurt war die bedeutendste Luftfahrtschau vor dem 1. Weltkrieg. Sie dauerte 100 Tage und präsentierte das gesamte Spektrum der damaligen Luftfahrttechnik, von Kugelballonen, über Luftschiffe bis hin zu den ersten erfolgreichen Aeroplanen (Flugzeuge, in der Anfangszeit der Flugtechnik gab es hiefür tatsächlich keinen deutschen Begriff). Schauplatz war die Frankfurter Festhalle und das riesige Freigelände hinter ihr (heute Frankfurter Messegelände), welches in diesen Tagen zum „größten Flugplatz Deutschlands“ wurde.
5 Manuskript für einen Artikel in „Deutsche Zeitschrift für Luftschiffahrt“ Nr.24/ Jahrgang 1910, Clouth Archiv.
6 Der Bereich Luftfahrt und vor allem Daten über die ILA und das Luftschiff Clouth sind im Clouth-Archiv im Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchiv zu Köln recht umfangreich vorhanden. Ferner gibt es in der allgemeinen Luftschiffliteratur sehr ausgiebige Informationen zum Luftschiff Clouth. Diese Informationen sind 1996 von John Duggan und Gisela Woodward in einem kleinen Büchlein mit dem Titel „Clouth – das Luftschiff von Köln“ in deutscher und englischer Sprache zusammengefasst worden. Im Clouth-Archiv sind auszugsweise auch noch die original handschriftlichen Fahrtberichte von 1909 vorhanden, in einer Abschrift liegen sie komplett vor.
7 Verzeichnis der Fahrten mit dem Lenkballon, Clouth-Archiv, 26.11.1909.
8 Warum dieser Stabwechsel vollzogen wurde, ist aus heutiger Sicht nicht erkennbar, von diesem Zeitpunkt an verlieren sich die Spuren von Richard Clouth in Köln; siehe hierzu auch die Informationen zur Familiengeschichte; Clouth in Manfred Backhausen, „Leben in Nippes-Arbeiten bei Clouth“ 2004/2007.
9 Diese Fehleinschätzung lässt sich durch Archiv-Recherchen widerlegen. 1910/11 baute man lediglich an Teilen für ein zweites Luftschiff.
10 Eintragungen im Ballonbuch aus dem Jahr 1910, Clouth Archiv.
11 Richard Steiff, ein Sohn Margarete Steiffs aus Gingen an der Brenz ist von der Luftfahrt begeistert. Er verwirklicht den Traum vom Fliegen auf seine Weise. Nach Beobachtungen des Vogelflugs und vielen
Berechnungen konstruiert er 1908 einen schwanzlosen, zusammenlegbaren Drachen, dem er den Namen „Roloplan“ gibt. Am 20. August 1909 erhält die Firma das Warenzeichen „Roloplan“ zuerkannt für „Luftballons, Luftfahrzeuge jeglicher Art, Aeroplane, Drachenflieger etc. Er wird neben der Funktion als Spielgerät mit Vorliebe und Erfolg von Aeronauten zur Messung der Luftströmungen verwendet.
12 Detaillierte Aufzeichnungen von Hauptmann a.D. von Kleist aus dem Jahr 1910, Clouth Archiv.
13 Manuskript für einen Artikel in „Deutsche Zeitschrift für Luftschiffahrt“ Nr.24/ Jahrgang 1910, Clouth Archiv.
14 Ansichtskarte vom Bürgermeister von Jülich, vom 20.06.1910, Clouth Archiv.
15 Manuskript für einen Artikel in „Deutsche Zeitschrift für Luftschiffahrt“ Nr.24/ Jahrgang 1910, Clouth Archiv
16 Artikel in „Le Journal“Nr. 6477 Paris 21.06.1910, Clouth Archiv.
17 Artikel in „Stockholms Dagblad“ vom 22.07.1910, Clouth Archiv.