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Das Luftschiff Clouth

Nach dem Unglück von LZ 4 des Grafen Zeppelin in Echterdingen am 05. August 1908 kam es zu einer regelrechten Luftschiffbegeisterung“ in Deutschland. Durch eine Nationale Volksspende waren 6 Millionen Mark für den Luftschiffbau zusammengebracht worden. Es kam zu einem wahren Luftfahrtfieber in Deutschland. Allein in den beiden Jahren 1908 und 1909 gründeten sich über 30 neue Luftfahrtvereine, deren Aktivitäten sich nicht nur auf den Ballonsport, sondern auch auf die Motorluftfahrt ausdehnten.1

Angespornt durch die eigenen Erfolge in der Luftfahrttechnik und unterstützt durch die Begeisterung im Land beschloss Franz Clouth im Jahre 1907, einen lang gehegten Plan zu verwirklichen und den Luftschiffbau aufzunehmen. Das Jahr 1908 verging mit der Anfertigung von Plänen und Entwürfen. Der eigentliche Bau unter Leitung von Richard Clouth wurde im Winter 1908/1909 begonnen und im Juni 1909 beendet. Der Bau wurde maßgeblich von Sohn Richard geleitet. Ebenso wie sein Vater war er gelernter Kaufmann und hatte sich die technischen Fähigkeiten als Autodidakt angeeignet. Alle Teile mit Ausnahme des Motors wurden in den Werkstätten von Clouth hergestellt.

Das Luftschiff war 42 m lang, der Durchmesser betrug 8,25 m, sein Gasvolumen lag bei 1800 m³. Es gehörte zur Bauart der sog. Prallluftschiffe, die ihre äußere Form durch den Überdruck in Inneren erhielten<sup>2</sup>.

Im Inneren führte es ein zweiteiliges Ballonett von 344 m³ Inhalt atmosphärischer Luft. Die äußere Form war die eines beidseitig zugespitzten Torpedos, der sich nach hinten ein wenig verjüngt. Durch diese Bauart wurde ein leichteres Abstreifen der Luft erzielt und die Bildung von Luftwirbeln hinter dem Schiff verringert. Die Hülle war aus gelb gefärbtem, gummiertem Doppeldiagonalstoff aus Baumwolle hergestellt. Es war im eigentlichen Sinne ein Prallluftschiff, hatte aber an den Seiten der Hülle zwei hölzerne Holme, die ihm eine gewisse Starrheit verliehen. Die Seitensteuerung wurde durch das Steuer am Heck bewirkt, die Höhensteuerung wurde anfangs durch ein doppelflächiges (dreiflächiges) Höhensteuer bewirkt, welches unter dem vorderen Teil des Schiffbauches aufgehängt war. Die Konstruktion, die der Firma patentiert wurde, hatte allerdings anfängliche Probleme. Außer dem Seitensteuer befanden sich am Heck sog. Stabilisierungsflossen, die die Schlingerbewegungen abdämpfen. Die erwähnten Holme, die aus mehreren Stücken zusammengesetzt waren und beim Abmontieren leicht auseinander genommen werden konnten, trugen an starken Drahtseilen die Gondel, die aus Stahlröhren aufgebaut, seitlich mit Stoff bespannt war. Sie bot Platz für einen Führer, einen Maschinisten und zwei weitere Mitfahrende. Im mittleren Drittel der Gondel waren der Motor und die Kühlvorrichtung eingebaut. Der Motor war 40 PS stark. Über dem Motor erhob sich ein Aufbau, der nach beiden Seiten weit ausladend, oben die Achse der beiden seitlich angeordneten zweiflügeligen Luftschrauben mit einem Durchmesser von 2,8 m, trug. Sie waren aus dünnen, vielfach geleimten Holzfurnieren gebildet. Die Übertragung der Kraft vom Motor zur Luftschraubenachse erfolgte durch Kegelräder. Ebenfalls auf dem Aufbau befand sich das Gebläse zur Füllung des Ballonetts. Der Ventilator wurde durch einen Riemen von der oberen Querwelle her angetrieben. Das Ballonett bestand aus zwei Kammern, die durch eine gummierte Leinwand getrennt waren, so dass sich der Luftdruck zwar in beiden Ballonetthälften ausgleichen, die Luft aber nicht plötzlich nach einer Seite überströmen konnte, wenn der Ballon schräg stand. Jede Hälfte des Ballonetts war unten mit einem Unterdruckventil ausgerüstet. Am Gasballon befanden sich oben ein Überdruckventil, was auch von Hand bedient werden konnte und ein zweites Überdruckventil unten. Das untere Ventil öffnet sich etwas eher, so dass zunächst das unten befindliche schwere Gas entweichen konnte. Höhen- und Seitensteuer wurden durch zwei Handräder betätigt, die sich vorne am Führer-stand in der Gondel befanden. Der nutzbare Auftrieb des Schiffes betrug rund 500 kg, ein-schließlich Kühlwasser, aber ohne Betriebsmittel, der Betriebsmittelvorrat3 reichte für 10 Betriebsstunden.
Das Clouth-Luftschiff sollte u.a. ein militärisch wendiges Luftschiff werden, denn es war so bemessen, dass es sich durch die Mannschaft einer Feldluftschiffabteilung aufbauen und füllen ließ. Das benötigte Gasvolumen orientierte sich an den Gasvorräten einer Feldluftschiffabteilung. Sein Gewicht (ca. 1330 kg) war so gering, dass es bequem auf Feldfahrzeugen transportiert werden konnte. Mit einiger Berechtigung konnte man fast schon von einem „Volksluftschiff“ sprechen.
Luftschiff Clouth bei Probefahrten in Bickendorf
Auf der Internationalen Luftschifffahrt-Ausstellung 1909 in Frankfurt am Main (ILA) trat der „Winzling“ unter den Luftschiffen zum ersten Mal öffentlich auf4.
Aufgrund der verspäteten Fertigstellung – es gab also auch 1909 schon Terminprobleme- konnte das Luftschiff in Köln nicht mehr getestet werden. Am 16. August 1909 unternahm es den ersten Aufstieg unter der Führung von Richard Clouth. Alles funktionierte hervorragend, allerdings war das Luftschiff noch an einem Seil gesichert. Am Abend des gleichen Tages wurde eine erste Fahrt unternommen. Gegen 19.00 Uhr erhob sich das Luftschiff vom Ausstellungsgelände, überflog die Bahnlinie, die hohen Telegraphendrähte und kreuzte lange Zeit über dem Flugplatz. Hatten seine gefällige Form und die elegante Ausführung den Beifall weiter Kreise gefunden, so zog jetzt sein sicheres Manövrieren, vor allem seine außerordentliche Wendigkeit die Aufmerksamkeit der Fachleute auf sich. Nach ungefähr einer Stunde landete es glatt vor der Halle5. Spektakulär verlief die dritte Fahrt auf der ILA, es gab Probleme mit dem Höhensteuer und mit dem Ventilator, der die Luftzufuhr zum Ballonett herstellte.
So gab es in der Höhe keinen Druckausgleich im Inneren des Ballons, so dass das Luftschiff bei seiner Fahrt über Frankfurt an Höhe verlor. Es geriet so in die Straßen der Stadt, durch die es Dank seiner Wendigkeit aber problemlos hindurch kam und einen öffentlichen Platz mitten in der Stadt erreichte, auf dem man notlandete. Nachdem der Schaden behoben war, stieg man auf und erreichte sicher das Ausstellungsgelände. Durch diesen „Husarenritt“ war das Clouth-Luftschiff in aller Munde, die Zeitungen veröffentlichten die Bilder im ganzen Land6. Mit dem Höhenruder gab es immer wieder Problem, so dass man es auf der ILA noch umbaute, es kam eine dritte Höhensteuerfläche hinzu und im Fahrtenverzeichnis ist am 23.09.09 vermerkt, dass die Wirkung des Höhensteuers langsam, aber deutlich erkennbar ist7.
Notlandung in den Straßen von Frankfurt im Sommer 1909
Belegt sind auf der ILA 16 Fahrten, hierbei war es ca. 16 Stunden in der Luft und beförderte insgesamt 49 Personen. Meist war es der Luftschiffführer und der Bordingenieur, aber es wurde auch schon einmal der Bruder Eugen Clouth, die Ingenieure Theden und Key, der Prokurist Müller oder andere Firmenangehörige mitgenommen. Beim ersten Test und bei den anschließenden 9 Vorversuchs-Fahrten führe Richard Clouth das Schiff, dann ging die Schiffsführung an den Hauptmann a.D. von Kleist über, der noch 7 Fahrten auf der ILA durchführte8. Neben dem Höhenruder gab es auch einige Probleme mit dem Motor, bei der Fahrt am 25.09.1909 musste infolge eines Motorausfalls bei Walldorf, ca. 15 km südwestlich von Frankfurt gelandet werden. Ende September, Anfang Oktober wurde das Schiff zur Revision nach Köln gebracht, aber am 10.10.1909 gab es in Frankfurt schon wieder eine erneute Fahrt, die Landung erfolgte westlich der Bahnlinie auf dem Ausstellungsgelände. Die Fahrt am 12.10.1909 stand unter schlechten Vorzeichen, eine Viertelstunde nach dem Start versagte der Motor, der nach 10 Minuten wieder in Gang gesetzt werden konnte, sofort anschließend fiel die Steuerung aus, so dass das Schiff westlich von Rödelheim glatt landete. Jetzt gab es auch noch Probleme in der Gasversorgung, welches nicht rechtzeitig beschafft werden konnte, so dass man das Schiff entleerte und nach Köln zurückbrachte. Für das Luftschiff „Clouth“ war damit die ILA beendet. Die anstehende Fahrtpause im Winter 1909/1910 wurde dazu genutzt, dass Schiff umzubauen und zu verbessern. Dieser Umbau führte dazu, dass man in der allgemeinen Literatur oft fälschlicherweise davon sprach, dass Clouth zwei Luftschiffe hatte9.
Luftschiff Clouth 1910 nach dem Umbau
Zuerst wurde das Höhensteuer umgebaut. Es wurde seitlich ans Vorderschiff, direkt an der Hülle angebracht. Um leistungsfähiger zu werden, wurde der Motor durch einen 50 PS Adlermotor ersetzt. Es erreichte jetzt eine Geschwindigkeit von 35 km in der Stunde. Die Kegelräder der Kraftübertragung wurden durch endlose Gummiseile ersetzt, so dass der Antrieb weicher und elastischer wurde, bei gleichzeitiger Gewichtsersparnis. Auch änderte man die Gondelaufhängung und einige Details an der Gondel. So wurde der Benzinbehälter in die rückwärtige Spitze der Gondel verlagert. Hier war er vor Beschädigungen gesichert und die Schwerpunktlage wurde verbessert. Im Ballonbuch sind hierzu vom 13.04.1910 umfangreiche Berechnungen angestellt. Die Tragstangen, welche bisher aus einem System von Knebeln an der Längsseite der Hülle aufgehängt waren, wurden nunmehr in einer gurtartigen Tasche rechts und links an der Hülle untergebracht. Hierdurch wurde ihr Luftwiderstand verringert und gleichzeitig waren sie auch noch in der Lage, die Erhaltung der Form wirksamer zu unterstützen. Die Aufhängungskabel erhielten an den Enden unter den Spannvorrichtungen Knebel zur schnellen Verbindung mit den entsprechenden Schlaufen an der Gondel. Die senkrechte Dämpfungsfläche vor dem Seitensteuer wurde in zwei Teile zerlegt, so dass sie nun ohne Schwierigkeiten fortzuschaffen waren. Sämtliche Dämpfungsflächen wurden mit Riemen und Schnallen versehen, um eine leichtere, schnellere Verbindung mit der Hülle zu ermöglichen. Diese Arbeiten füllten den ganzen Herbst aus und erstreckten sich bis Januar. Im Januar 1910 wurden am neuen Motor umfangreiche Leistungsversuche durchgeführt. Brachte eine Schraube bei 900 Umdrehungen/min eine Zugkraft von 86 kg auf, erreichte die Zugkraft bei 1250 Motorumdrehungen 142 kg10.
Luftschiff Clouth, Führergondel, Antrieb, Ballonettgebläse

Nach ihrer Beendigung wurden die Fahrversuche wieder aufgenommen, zu denen vom Kriegsministerium die große Halle des Militär-Luftschiffhafen in Cöln-Bickendorf zur Verfügung gestellt wurde. Infolge der äußerst ungünstigen Witterung konnten während der Versuche im Februar nur wenige Aufstiege unternommen werden. Am 02.Februar ist das Schiff gegen 3.30 Uhr fahrfertig, aber wegen zu hoher Windgeschwindigkeiten von 6-7 m am Boden blieb das Schiff in der Halle. Am 03. Februar war das Wetter immer noch nicht besser.
Es wurden Windmessungen mit einem Drachen ausgeführt. Hierzu wurde ein „Roloplan“11 benutzt von 1 m² Fläche, geliefert von Wwe. Steiff in Gingen.

Die Windgeschwindigkeit wurde hierbei ermittelt aus dem Zug des Kabels. Auf der Basis der Angaben von Geheimrat Assmann aus dem Buch „Wir Luftschiffer“ ergaben sich hierbei folgende Abhängigkeiten:

  • Zugkraft 1,5 kg entspricht 3 m Windgeschwindigkeit
  • Zugkraft 2,0 kg entspricht 4 m Windgeschwindigkeit
  • Zugkraft 5,0 kg entspricht 8 m Windgeschwindigkeit

Auch am 03. Februar kam es zu keiner Fahrt aufgrund der ungünstigen Witterung. Am 04. Februar erfolgte die erste Testfahrt, die Fahrt musste wegen Schneegestöber abgebrochen werden, aber es gelang eine glatte Landung vor der Halle. Da die Fahrt zu kurz war, um Schlüsse auf das Verhalten zu ziehen, wurde noch die Wirkung der Überdruckventile geprüft, in dem man 40 Flaschen nachfüllte. Nach einer Windmessung mit dem „Roloplan“-Drachen erfolgte am 05. Februar eine Fahrt von 40 Minuten über den Gasometer Ehrenfeld, Höhe 100 m, dem Stadtwald Höhe 150 m, Gasometer Ehrenfeld Höhe 200 m, das Schiff stieg auf 250 m trotz abwärts gerichtetem Höhensteuer. Trotzdem erfolgt eine glatte Landung vor der Halle, wobei das Höhensteuer zum Abstieg unwirksam war12.

Windmessung mit dem Roloplan
Aber man erkannte, dass mit den Änderungen der richtige Weg beschritten wurde. Nur mit dem Höhensteuer gab es immer noch Probleme. Nach insgesamt fünf Versuchsfahrten vom Flughafen Bickendorf aus, kehrte das Luftschiff am 28.Februar 1910 auf dem Luftwege nach Nippes zur Fabrik zurück, wo es glatt vor der Halle landete.
Luftschiff Clouth vor der Halle auf dem Werksgelände an der Niehler Straße
Neben vielen Details wurden vor allem die Höhensteuer umgebaut. Gegen Ende April kehrte das Luftschiff nach Bickendorf zurück. Die Militärbehörde hatte ursprünglich beabsichtigt, das Luftschiff „Clouth“ an den Kölner Luftschiffübungen im November 1909 teilnehmen zu lassen.
(Der Schreiber dieser Karte schreibt u.a., dass es in Köln in den Lüften jeden Tag so aussieht.)

Da dies aufgrund der Umbaumaßnahmen nicht möglich war, andererseits aber eine militärische Erprobung vorgenommen werden sollte, wurde hierzu der Oberleutnant Masius vom Luftschiffer-Bataillon zur Teilnahme an den Fahrten abkommandiert. Die Führung lag weiterhin in den Händen von Hauptmann a.D. von Kleist, der durch Ingenieur Dilg unterstützt wurde. Nachdem am 09. Mai 1910 in einer Werkstattfahrt das sichere Zusammenwirken aller Teile festgestellt war, wurden vom 13. Mai an regelmäßige Fahrten aufgenommen und folgten fast ohne Unterbrechung aufeinander. Waren sie anfänglich nur auf die nähre Umgebung beschränkt, so erstreckten sie sich bald weiter hinaus, führten nach Burscheid, Rheydt, Mönchengladbach, Crefeld, Neuss, Siegburg, Bonn usw. Dabei wurden Fahrzeiten von mehr als 5 Stunden erzielt und teilweise über 120 km zurückgelegt. Die Geschwindigkeit hatte sich auf mehr als 32 km/Stunde erhöht, auch war die Tragkraft gestiegen. Die guten Ergebnisse waren allerdings nur möglich durch die über alle Erwar-tungen übertreffende Wirkung der neuen Höhensteuer. Am 31.05.1910 wurde das Schiff durch seine Kgl. Hoheit den Prinzen Leopold besichtigt. An den folgenden Tagen nahm sein Generalstabsoffizier, Major Freiherr von Ledebur an einem Aufstieg teil, der zu dem Niehler Exerzierplatz zur Besichtigung der Truppen und nach Müngersdorf führte13. Im Juni 1910 wurden weitere Versuchsfahrten in der Kölner Umgebung durchgeführt.

Ende Juni 1910 kam es zu einer spektakulären Fahrt nach Brüssel zur Weltausstellung. Im Jahre 1910 wurden noch ca. 30 Fahrten über Köln und Umgebung durchgeführt.

Die Brüsselfahrt des Luftschiffes Clouth

Nachdem das Luftschiff Mitte Juni 1910 neu befüllt wurde, erfolgte am 18. Juni eine kurze Probefahrt nach Düsseldorf. Man wartete auf die geeignete Wetterlage, um zur Weltausstellung nach Brüssel zu fahren. Gestartet wurde am 20.06.1910 kurz nach Mitternacht, die Fahrt verlief über Bickendorf, Lövenich, Jülich (1.15 Uhr), Herzogenrath, Maastricht, Tirlemont bis Brüssel (5.25 Uhr), wo die Landung um 6.20 Uhr erfolgte. Ausgeführt wurde die Fahrt von Hauptmann a.D. Kleist, mit an Bord waren Eugen Clouth und der Ingenieur Dilg. Dem Luftschiff folgten zwei Autos mit Ersatzteilen, Benzin und Hilfsmannschaften. Zur Fahrt war die gerade Linie gewählt worden, die zunächst längs der Chaussee über Jülich (1,15 Uhr) führte. Noch am gleichen Tag (20.06.1910) bedankt sich der Bürgermeister von Jülich bei der Firma Clouth für die Überfahrt mittels Kartengruß14. Von Jülich nach Maastricht folgte der Weg keiner großen Straße nach, so dass die Orientierung auf diesem Teil allein nach den Gestirnen aufrechterhalten wurde. Maastricht wurde aufgrund seiner Lage an der Maas und seiner Befestigungsanlagen um 2.35 Uhr erkannt. Der weitere Teil der Fahrt bot keine Schwierigkeiten, da man nur der großen Straße über Tongres (3.05 Uhr), Tirlemont (4.20 Uhr), Louvain (4.55 Uhr) nach Brüssel folgen musste. Die Witterungsverhältnisse waren günstig, es herrschte fast vollständige Windstille und nur zeitweise stand dem Schiff ein schwacher Südwestwind entgegen. Bald nach Sonnenaufgang wurde Brüssel gegen 5.25 Uhr erreicht. Da niemand das Luftschiff erwartete, war auf der weiten Fläche des Exerzierplatzes von Etterbeck niemand zu sehen. Also entschloss man sich zu einer Rundfahrt über die Stadt. Durch den Abwurf eines Briefes war es gegen 6.00 Uhr gelungen den Mannschaften in der Gendarmeriekaserne beim Pferdeputzen Nachricht von der beabsichtigen Landung zu geben.
Luftschiff Clouth über dem Ausstellungsgelände in Brüssel
Die erbetene Hilfe wurde auch bereitwilligst gegeben, so dass das Schiff um 6.20 Uhr glatt vor der Halle der Brüsseler Luftschiffahrts – Gesellschaft „AVIA“ landen konnte. Hierzu war kein Ventilzug zum Gasablassen notwendig, vielmehr war der gesamte Abstieg nur durch das Höhensteuer erfolgt, eine Leistung, die umso höher zu bewerten war, weil die Abfahrt nachts bei kaltem Gas erfolgte und sich das Schiff zeitweise auf Höhen über 200 m befand, und nun auch schon seit gut 2 Stunden einer Sonnenein-strahlung ausgesetzt war.
Die Aufnahme in Brüssel war überaus herzlich. Von allen Seiten erfolgten Beweise lebhafter Anerkennung und Teilnahme, allen voran der Aero-Club Belgique. In Brüssel waren noch einige Fahrten geplant, es kam aber aufgrund der sich verschlechternden Witterungsverhältnisse nur am 21.06.1910 zu einem kurzen Aufstieg, der über die Ausstellung, das meteorologische Zentrum Uccle und Brüssel führte. Erst gegen Ende Juli war günstigere Witterung eingetreten und erlaubte zwei Flüge zum Flugplatz nach Stockel. Hier fand vom 23.07. bis zum 04.08.1910 eine Flugwoche statt. Dabei erfüllte das Luftschiff die vorgeschriebenen Bedingungen und erwarb den Ehrenpreis für Luftschiffe des Flugkomitees15.
Die internationale Presse jubelte, und in Köln trafen immer neue Gratulationen ein. Einige besorgte Stimmen kamen aus Frankreich, denn wie konnte es sein, dass in einer Zeit der Spannungen zwischen England, Frankreich und Deutschland ein deutsches Luftschiff unbemerkt über Nacht bis nach Brüssel fahren konnte! Aber die meisten Franzosen waren Stolz auf die Leistung, hatte Richard Clouth doch in Paris Flugzeugbau bei der Firma Mallet studiert. Obwohl das Luftschiff deutsch war, gehörte die Konstruktion zur französischen Schule16.
Corriere delle Sera, Milano 21.06.1910
Anfang August wurde das Luftschiff nach Köln über-führt. Da im Fahrtenverzeichnis keine Fahrt ersichtlich war, ist davon auszugehen, dass es aufgrund der Wetterverhältnisse demontiert und auf dem Landweg nach Köln gebracht wurde.
Beflügelt durch diesen Erfolg, bot Clouth in vielen Ländern Europas seinen lenkbaren Ballon an. Im Juli 1910 wurde im „Stockholms Dagblad“ berichtet, dass sich der Repräsentant der Firma Clouth, Herr Richard Deutsch in Schweden aufhielt, um sich Aufschluss darüber zu verschaffen, welches Interesse in Schweden für die Beschaffung von Ballonen bestand. Deutsch machte auch einen Besuch in Vaxholm bei Herrn Kapitän A. Salomon, einem angesehenen Aeronauten und Präsidenten des Motorclubs. Dieser Club hatte die Absicht, einen Freiballon anzuschaffen. Auch die Militärverwaltung war an dem lenkbaren Luftschiff der Firma Clouth interessiert17.
Nach der Brüsselfahrt kam Artilleriehauptmann Hildebrandt nach Köln um das Luftschiff kennen zu lernen. Daraufhin ergab sich eine enge Zusammenarbeit mit der Firma Clouth, denn in seinem Buch „Die Luftschiffahrt nach ihrer geschichtlichen und gegenwärtigen Entwicklung“ Verlag Oldenbourg 1910, wurde nicht nur das Luftschiff Clouth beschrieben, sondern der komplette Ballonbau wurde auf der Basis der clouth´schen Fertigung dargestellt, denn zu diesem Zeitpunkt war Clouth die einzige Firma, die komplette Ballone und „Lenkballone“ anbot.

Gummierte Gewebe

Basis für Ballone und Luftschiffe aber auch für wasserdichte Artikel waren gummierte Gewebe. Das Gewebe war der Festigkeitsträger, das Gummi sorgte für die dichte Oberfläche.

Seinen Anfang nahm dieser Produktionszweig 1876 mit der Herstellung von Wagen- und Pferdedecken aus mit Kautschuk-Lack bestrichenen Stoffen. In der Abteilung für „Wasserdichte Artikel“ wurden dann Anzüge für Bergleute und Matrosen, Pferdetränkeimer, Schürzen, Gummihandschuhe, Zelte aber auch so ungewöhnliche Dinge wie „transportable Badewannen“ und „tragbare Strandkörbe aus chemisch wasserdicht präparierten Prima-Segeltuch“ produziert.

Aufgrund langjähriger Erfahrung in der Herstellung wasserdichter Stoffe begann Clouth in den 1890-er Jahren mit der Herstellung gasdichter Stoffe für die Ballone und Luftschiffe.
Clouth arbeitete mit Graf Zeppelin zusammen und lieferte die Stoffe für das erste Luftschiff LZ1 des Grafen, welches im Juli 1900 seine erste Fahrt durchführte.
Bis zur Verlagerung der Produktion Anfang der 90-er Jahre zur Continetal AG wurden in Köln Luftschiffstoffe für die Westdeutsche Luftschiffwerft in Mülheim/Ruhr hergestellt. Berühmte Luftschiffe wie der „Fliegende Musketier“ von Wicküler oder der „Fuji Film“ und einige andere wurden mit Clouth-Stoffen ausgerüstet.
Andere Einsatzgebiete waren Stoffe für Schlauchboote, Seenotrettungsinseln, Schwimmwesten, Zeltböden, Stoffe für Faltenbälge an Flughäfen oder Bussen, für Schläuche und Kompensatoren.

1
Schlauchboote

2
Faltenbalg in Luftlandebrücke

3
Faltenbalg zwischen Fahrgastzellen

1 Ritter der Lüfte, Ballonsport um 1900, Lehmstedt Verlag Leipzig, 2006.

2 Zeppelinluftschiffe wiesen im Inneren ein festes Gerippe aus Duraluminiumträgern auf, welches die äußere Hülle auch ohne Gasdruck in Form hielt, die einzelnen Gaszellen waren separat im inneren aufgehangen. Größenvergleich: LZ 6, welches in der gleichen Zeit von Zeppelin gebaut wurde: Länge 130 m, Durchmesser 13m, Inhalt 15000m³.

4 Die ILA 1909 in Frankfurt war die bedeutendste Luftfahrtschau vor dem 1. Weltkrieg. Sie dauerte 100 Tage und präsentierte das gesamte Spektrum der damaligen Luftfahrttechnik, von Kugelballonen, über Luftschiffe bis hin zu den ersten erfolgreichen Aeroplanen (Flugzeuge, in der Anfangszeit der Flugtechnik gab es hiefür tatsächlich keinen deutschen Begriff). Schauplatz war die Frankfurter Festhalle und das riesige Freigelände hinter ihr (heute Frankfurter Messegelände), welches in diesen Tagen zum „größten Flugplatz Deutschlands“ wurde.

5 Manuskript für einen Artikel in „Deutsche Zeitschrift für Luftschiffahrt“ Nr.24/ Jahrgang 1910, Clouth Archiv.

6 Der Bereich Luftfahrt und vor allem Daten über die ILA und das Luftschiff Clouth sind im Clouth-Archiv im Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchiv zu Köln recht umfangreich vorhanden. Ferner gibt es in der allgemeinen Luftschiffliteratur sehr ausgiebige Informationen zum Luftschiff Clouth. Diese Informationen sind 1996 von John Duggan und Gisela Woodward in einem kleinen Büchlein mit dem Titel „Clouth – das Luftschiff von Köln“ in deutscher und englischer Sprache zusammengefasst worden. Im Clouth-Archiv sind auszugsweise auch noch die original handschriftlichen Fahrtberichte von 1909 vorhanden, in einer Abschrift liegen sie komplett vor.

7 Verzeichnis der Fahrten mit dem Lenkballon, Clouth-Archiv, 26.11.1909.

8 Warum dieser Stabwechsel vollzogen wurde, ist aus heutiger Sicht nicht erkennbar, von diesem Zeitpunkt an verlieren sich die Spuren von Richard Clouth in Köln; siehe hierzu auch die Informationen zur Familiengeschichte; Clouth in Manfred Backhausen, „Leben in Nippes-Arbeiten bei Clouth“ 2004/2007.

9 Diese Fehleinschätzung lässt sich durch Archiv-Recherchen widerlegen. 1910/11 baute man lediglich an Teilen für ein zweites Luftschiff.

10 Eintragungen im Ballonbuch aus dem Jahr 1910, Clouth Archiv.

11 Richard Steiff, ein Sohn Margarete Steiffs aus Gingen an der Brenz ist von der Luftfahrt begeistert. Er verwirklicht den Traum vom Fliegen auf seine Weise. Nach Beobachtungen des Vogelflugs und vielen
Berechnungen konstruiert er 1908 einen schwanzlosen, zusammenlegbaren Drachen, dem er den Namen „Roloplan“ gibt. Am 20. August 1909 erhält die Firma das Warenzeichen „Roloplan“ zuerkannt für „Luftballons, Luftfahrzeuge jeglicher Art, Aeroplane, Drachenflieger etc. Er wird neben der Funktion als Spielgerät mit Vorliebe und Erfolg von Aeronauten zur Messung der Luftströmungen verwendet.

12 Detaillierte Aufzeichnungen von Hauptmann a.D. von Kleist aus dem Jahr 1910, Clouth Archiv.

13 Manuskript für einen Artikel in „Deutsche Zeitschrift für Luftschiffahrt“ Nr.24/ Jahrgang 1910, Clouth Archiv.

14 Ansichtskarte vom Bürgermeister von Jülich, vom 20.06.1910, Clouth Archiv.

15 Manuskript für einen Artikel in „Deutsche Zeitschrift für Luftschiffahrt“ Nr.24/ Jahrgang 1910, Clouth Archiv

16 Artikel in „Le Journal“Nr. 6477 Paris 21.06.1910, Clouth Archiv.

17 Artikel in „Stockholms Dagblad“ vom 22.07.1910, Clouth Archiv.