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Produktpalette im Wandel der Zeit

Begonnen hat Franz Clouth seine Fertigung mit einer Produktpalette von Altagsgegenständen. Radiergummis, Milchsauger, Flaschenverschlüsse Caoutchouc-Copierblätter, Gummihufschoner für Pferde, Tourniquet-Hosenträger, die auch als Notverband verwendet werden konnten und..und..und..
Clouth Flaschenverschluss
Anzeige in der Kölnischen Zeitung vom 1.8.1901
Aber schon recht bald spezialisierte sich Franz Clouth auf industrielle Produkte. Aufgrund der Erfahrungen in der Herstellung wasserdichter gummierter Gewebe stellt er schon bald Produkte daraus her, wie Zelte, Zeltplane für Pferdewagen und Eisenbahnwagons etc.

Um 1880 begann Clouth mit der Fertigung von Tauchanzügen.

Clouth fertigte alle Elemente einer Tauchausrüstung, vom Taucheranzug über den Helm, den Tornister, den Regulator, die Schuhe und Brustplatten, die Pumpen, Schläuche und Ventile, er war also Ende des 19. Jahrhunderts schon ein sog. Systemlieferant.

Clouth wurde 1887 alleiniger Lieferant von Tauchanzügen für die kaiserliche Marine

Elemente der Tauchausrüstung

Nach dem Erfolg mit wasserdichten Stoffen, begann Clouth bald auch mit der Produktion Gasdichter Stoffe. Er war Lieferant der Gaszellenstoffe für das 1. Luftschiff von Graf Zeppelin. Zahlreiche Ballone waren aus Stoffen von Clouth hergestellt.

Auch hier wurde Clouth wie auch schon bei den Tauchausrüstungen zum sog. Systemlieferant, er lieferte neben den gummierten Produkten auch sämtliches Zubehör (siehe hierzu auch Station 5, „Luftschiff-Platz“).

Gummierte Stoffe wurden bis 1992 hergestellt.

Mit der aufkommenden Mobilität begann Clouth auch mit der Fertigung von Reifen.

Während Clouth Autoreifen nur halbherzig herstellte spezialisierte man sich schnell auf Fahrradreifen. Der Clouth-„Tourist-Pneumatic“ war ein großer Erfolg. Clouth war auch Mitbegründer des „1 Bicycle Club Cöln“ Gleichzeitig unterstützte man den Bau der Riehler Radrennbahn.

Werbepostkarte für Clouth Tourist Pneumatic 1899
Adressbuch 1872

Aber auch die Fertigung industrieller Produkte begann Clouth Ende des 19. Jahrhunderts;

  • 1870 – Beginn der Treibriemen- und Fördergurtproduktion (siehe hierzu Station 4)
  • 1873 – Beginn der Fertigung von Gummiwalzenbezügen
  • 1876 – Beginn der Schlauchfertigung
  • 1890 – Beginn der Schutzgummierung (siehe hierzu Station 10)
  • 1890 – Beginn der Kabelfertigung (siehe hierzu Station 11)
  • 1897 – Herstellung gasdichter gummierter Stoffe (siehe hierzu Station 5)
  • 1930 – Herstellung von Dichtringen für Rohrleitungen und Industrieformartikel
  • 1936– Herstellung schusssicherer Tanks für die Flugzeugindustrie (siehe hierzu Station 2)
  • 1955- Produktion von sog. Stahlseilgurten (siehe hierzu Station 4)
  • 1959– Herstellung von Automatten, und Gummi-Federelementen für den Fahrzeugbau, Schwingungstilgerfertigung für die Autoindustrie
            – Herstellung von Kettenteilen und Rädern für Kettenfahrzeuge
  • 1979 – Produkte für die passive Wehrtechnik und der zivilen Schutztechnik
  • 1982– Beginn der Schienenlagerproduktion („Kölner Ei“)
  • 1993 – Entwicklung elektronischer Schwingungstilgung ISAD

Nach Übernahme durch die Continental AG 1990 fand bei Clouth keine Produktentwicklung mehr statt, der Standort Köln wurde reine Fertigungsstätte.

Nachfolgend werden noch einige Details zu den Produkten beschrieben, die nicht Bestandteil eigener Stationen sind.

Seit 1873 – Fertigung von Gummiwalzenbezügen

Den Anfang der Clouth-Walzenbezüge machten ab 1873 die Gummierung von Naßpress-, Register- und Gautschwalzen für die Papiererzeugung. Später fanden die Gummiwalzen auch in der Leder-, Tapeten- und Textilherstellung Verwendung.

Seit den 1950-er Jahren kamen Technische Walzen (im Gegensatz zu Graphischen Walzen, die Clouth nie hergestellt hat) schwerpunktmäßig in der Textil-, Papier- und Blechindustrie, im Bereich Folien und Verpackungen sowie als Trommelbeläge für Transportanlagen zum Einsatz. Die Walzenbezüge wurden aufgebracht, vulkanisiert und anschließend wurde die Oberfläche mechanisch bearbeitet. Clouth bot in diesem Bereich ein umfassendes Programm von über 100 Beschichtungsqualitäten- aus Gummi oder Kunststoff (Polyurethan)-an, die den spezifischen Anforderungen an Härte, Abriebfestigkeit, Temperaturbeständigkeit, chemischer Resistenz oder elektrischer Leitfähigkeit gerecht wurden.

Gummierte Walzen in einer Textil-Färbeanlage

Der Bereich „Technische Walzen“ wurde im Jahr 2000 an die Tuttlinger Firma C. Hilzinger-Thum verkauft. Hilzinger war ebenfalls in der Walzenfertigung tätig. Unter der Firmenbezeichnung „Clouth-Gummiwalzen GmbH“ wurden bis 2009 am Standort in Nippes Walzen hergestellt, seit 2010 befindet sich die Clouth-Fertigung in Bergheim/Erft.

Seit 1876 – Fertigung von Schläuchen

Die ersten Schläuche wurden bei Clouth 1876 hergestellt. Dies waren neben Garten- und Druckschläuchen auch schon Schläuche für Gase und Säuren. Ein wichtiges Produkt waren die Brauerschläuche. Seither wurde das Programm wegen der unterschiedlichsten Anforderungen ständig erweitert und modifiziert. 1965 nahm Clouth die Produktion von Feuerschutzschläuchen auf, die ab 1981 asbestfrei auf dem Markt gebracht wurden. Feuerschutzschläuche wurden überall dort eingesetzt, wo es galt, Leitungen, Elektrokabel oder Hydraulikschläuche gegen Strahlungswärme, Feuer oder Funkenflug zu schützen.

Für den Kanaltunnel zwischen Frankreich und Großbritannien wurden seiner Zeit 70 km Feuerschutzschlauch von Clouth geliefert.

Die Verteilerschläuche von Clouth wurden in der Zink-Elektrolyse eingesetzt.

Zu den weiteren Konfektionsartikeln zählten technisch anspruchsvolle geometrisch komplexe Formteile aus Gummi mit Gewebeverstärkungen, die in Kleinserie gefertigt wurden. Hierzu zählten z. B. Gummikompensatoren als Ausgleichsstücke in Rohrleitungen oder Abluftkanälen, teilweise bis zu einem Durchmesser von 4 Meter, aber auch Trichter für Schüttgutbehälter, Manschetten, Formrohre u.a.

Auch dieser Bereich wurde 2000 von C.Hilzinger-Thum erworben und in die Walzenfertigung integriert.

Kompensator für ein Hüttenwerk

Seit 1930 – Herstellung von Dichtringen für Rohrleitungen und Industrieformartikel

Kupplungen, Dichtringe, Dichtungselemente, Filtermembranen und Elastomer-Lager sind Teil jener Marktsegmente, die zur Gruppe der hochbeanspruchten Gummi/Metall-Formteile gehörten.

Im Bereich der Industrie-Formartikel stellte Clouth seit 1970 bewehrte Elastomer-Lager für den Tief-, Hoch- und Brückenbau her.

Im Schiffbau wurden von Clouth hochelastische Kupplungen für die Kraftübertragung von dieselelektrischen Motoren zur Schiffschraube eingesetzt, so u.a. auch . Einer der berühmtesten Vertreter der Seefahrt war das Passagierschiff       Queen Elisabeth II“. Hier wurde über mehrere Großkupplungen von Clouth eine Leistung von 10.500 kW auf die Antriebswellen übertragen.

Während Elastomer-Lager und Kupplungen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts waren, gehörten die Dichtungselemente für Energieleitungs-systeme zu den Standardprodukten von Clouth.

Queen Elisabeth II

Seit 1959-- Herstellung von Automatten, und Gummi-Federelementen für den Fahrzeugbau und Herstellung von Kettenteilen und Rädern für Kettenfahrzeuge

Seit 1979 – Produkte für die passive Wehrtechnik und der zivilen Schutztechnik

Seit Beginn der Motorisierung war Clouth Zulieferer für die Automobilindustrie. Im Laufe der Zeit wurden ganz unterschiedliche Teile für den Fahrzeugbau geliefert, Trittbretter mit aufvulkansiertem Gummibelag, Automatten, Autoschläuche und verschiedene Formteile als Gummi- oder Gummi/Metallartikel. Seit Anfang der 1980-er Jahre waren Schwingungstilger ein wichtiges Produkt in der Kfz-Technik. Diese High-Tech Artikel, eine Verbindung aus Gummi und Metall wurden zur Geräusch- und Schwingungsdämpfung eingesetzt. Ferner prozierte Clouth für die KfZ-Industrie, Fensterdichtungen, Schaltlager, Motoren- und Getriebelager sowie Federbeinlager. Aus dieser Produktlinie heraus entwickelte sich Anfang der 1980-er Jahre heraus ISAD, ein elektronisches Feder-/Dämpfungssystem. Dazu später mehr.

Schon früh stellte Clouth Laufpolster und Räder für Kettenfahrzeuge her. Später kamen Endlosgleisketten und Kettenblenden dazu. Seit 1979 stellte Clouth den ballistischen Schutz für Leopard 2 Panzer an Turm und Wanne her. Dieser spezielle Schutz war so gestaltet, dass er bei der Festlegung neuer Schutzanforderungen , also der Bedrohung durch leistungsfähigere Munition, jederzeit ausgewechselt werden konnte.

Diese Erfahrungen flossen ab 1979 auch in Produkte für die zivile Schutztechnik mit ein. Durch den Einsatz dieser Produkte konnten gefährdete Objekte vor Anschlägen geschützt werden. Eingesetzt wurde diese Schutztechnik im Fahrzeugbau, sowie im fassadenbau und als Bodenschutz bei Banken und Flughäfen. Eine 2 cm dicke Keramik-Verbundplatte war so widerstandsfähig wie eine 15 cm dicke Betonplatte. Die Schutzplatte war beschuss- und handgranatensicher, hemmte den Detonationsdruck, verhinderte das Abprallen von auftreffenden Geschossen und war zusätzlich hemmend gegen Sprengstoff und Splitterwirkung.

Seit 1982-- Beginn der Schienenlagerproduktion („Kölner Ei“)

Um den Verkehrslärm von Schienengebundenen Fahrzeugen zu verringern schuf Clouth ein Federsystem, die sog. Clouth Rollfeder. Diese hochelastische Feder übernimmt die Achsführung an den Fahrzeugen und macht aufwendige und verschleißanfällige Konstruktionselemente überflüssig. Schon in den 1960-er Jahren wurde die Hamburger Hochbahn mit diesen Rollfedern ausgerüstet.

Clouth Rollfeder

Clouth produzierte ausge-reifte Elemente zur Körper- und Luftschall-Dämmung. Die Clouth Unterschotter-matte diente der groß-flächigen Körperschall-dämmung im Gleisoberbau als sog. Masse-Feder-Dämpfungssystem zur Körperschallentkopplung. Clouth Schienenlager dienten dazu, bei Oberbauten im Tunnel oder      auf Brücken auf die Verwendung von Schotter zu verzichten.

1982 wurde ein neues Schienenlager zugelassen, das sog. „Kölner Ei“. Clouth erhielt 1983 den Auftrag, die U-Bahn in Boston (USA) sowohl mit dem „Kölner Ei“ als auch mit anderen verkehrstechnischen Produkten auszurüsten. Seit 1991 wurden Clouth-Schienenlager auch für den asiatisch-pazifischen und australischen Markt in Lizenz hergestellt.

Schienenlager „Kölner Ei“ bei der KVB im Einsatz

Dieses schwingungs-dämpfende elastische Schienenlager wurde in Zusammenarbeit mit den Kölner Verkehrs-betrieben entwickelt, als Ergänzung zur klassischen Schienen-lagerung, die keine genügende Dämmung bot.. Der Einsatz des „Kölner Ei“ erfolgte in Tunnel- und auf Brückenstrecken, überall dort wo eine Schotter-bettung unerwünscht war, also auch im Haltestellenbereich.

Die Arbeitsgemeinschaft der Anwohner im Clouth-Quartier, die sich mit der Geschichte der Firma Clouth beschäftigte und maßgeblichen Anteil an der Erstellung des „Historischen Pfads“ auf dem Clouthgelände hatte, benannte sich nach diesem Clouth-Produkt „Arbeitsgemeinschaft Kölner Ei“.

Das „Kölner Ei“

Seit ca. 1993 – Entwicklung elektronischer Schwingungstilgung ISAD

Eine Schlüsselprodukt bei Clouth war aufgrund der Markterfordernisse die Produktion von Schwingungstilgern. Sie kompensierten im Fahrzeug auftretende Schwingungen durch die Motoren ihrerseits durch ein Masse/Dämpfersystem. Sich drehende Metallteile verbunden mit Gummilagen welche die Schwingungen dämpften sorgten für einen ruhigeren Lauf der Motoren und vermieden eine Übertragung der Schwingungen in den Innenraum eines Fahrzeugs. Diese Massen/Dämpfer-Systeme waren recht schwere Bauteile. In 1990-er Jahren begann ein Entwicklerteam bei Clouth mit der Entwicklung einer Technologie, die Schwingungstilgung elektronisch zu regeln und gleichzeitig auf weitere mechanische Bauteile wie z.B. den Anlasser eines Motors zu verzichten, ISAD. ISAD stand für „Integrierter Starter-Alternator-Dämpfer“ und galt als eine der Zukunftstechnologien im Automobilbau. Im Jahr 1997 wurde das System mit dem deutschen Innovationspreis ausgezeichnet. Es dämpfte die Motorschwingungen, ersetzte den Anlasser durch einen geräuschlosen Startmechanismus und lieferte mehr Energie als die herkömmliche Lichtmaschine auf Basis der 42 Volt –Technologie.

Motor mit ISAD-System
Messemodell um die Wirkung von Schwingungstilgern vorzuführen

1997, nach der Verschmelzung von Clouth mit der Continental wurde ISAD in eine eigene Gesellschaft ausgegliedert, Standort Landsberg/Lech. Mit BMW sollten erste Vorserienmodelle gemeinsam entstehen, doch die Zusammenarbeit scheiterte. 2005 wurden die ISAD-Aktivitäten eingestellt und der Standort Landsberg geschlossen.

Die Vielschichtigkeit von Clouth war einerseits eine Stärke, schwächelte ein Absatzbereich, waren andere ggf. gerade stark, was die wirtschaftliche Stabilität förderte. Andererseits war der Technologische Fortschritt auf allen Gebieten so stark angestiegen, dass man nicht mehr überall mithalten konnte. Man hätte sich früher Spezialisieren müssen.